Kapitel 9
Spiel, spaß und glück
Santi war in Gedanken noch immer bei den Nixen des Mummelsees, als er weiter über den Schwarzwald hinweg zog. Erst als sich unter ihm unterhalb eines Gipfels eine Art Freizeitzentrum auftat, konzentrierte Santi sich darauf. Aus der Luft konnte er mehrere Aktivitäten sehen, die hier oben angeboten wurden. Auf der einen Seite des Hangs, befanden sich Lifte und freie Wiesen – Santi konnte sich förmlich vorstellen, wie im Winter Skifahrer allen Alters die Hänge hinunterfuhren. Auf der anderen Seite waren im Wald zwischen dessen Bäumen allerlei Pfade gespannt, auf denen Menschen herumkletterten. Was Santi aber besonders gerne sah, war eine Rodelbahn, wie er sie in Gutach besucht hatte. Gerade wollte Santi darauf zufliegen, um sich erneut einen Stoß Adrenalin abzuholen, als noch eine weitere Aktivität seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn neben einem speziellen Lift, warteten eine ganze Reihe von Dreirädern darauf, auf den Berg hinauf gezogen zu werden. Diese Räder waren allerdings keine Dreiräder, wie man sie von kleinen Kindern kannte, sondern hatten große, angestellte Räder, eine Sitzschale, in die ein ausgewachsener Mensch passte, und einen Lenker zur Steuerung. Diese Dreiräder wurden dann in den Lift eingehängt und bergauf transportiert. Sobald sie dann oben freigelassen wurden, machten sie sich, angetrieben von der Schwerkraft, wieder auf den Weg bergab. Santi war verzückt. Wenn ihm das Rodeln mit dem Bob so Spaß bereitet hatte, musste auch dieser Fahrspaß ganz nach seinem Geschmack sein.
Deshalb schnappte er sich an der Station einen Helm – Sicherheit ging vor – und nahm auf einem der Dreiräder Platz. Als er an der Reihe war, wurde sein Bob am Lift eingehängt und die Fahrt nach oben begann. Auch wenn schon die Aufwärtsfahrt Santi einigen Spaß bereitete, so bereitete sie doch nur vor auf das, was danach folgte. Denn sobald das Dreirad frei vom Lift war, neigte es sich hangabwärts und die wilde Fahrt begann. Entlang einer vorgegebenen Strecke lenkte Santi sein Gefährt um Kurven, über Hügel und steil nach unten. Durch die Schwerkraft erreichte er ein gehöriges Tempo und so war Santi froh, dass er sich für den Helm entschieden hatte. Durch die schräg gestellten Reifen hatte das Dreirad allerding einen guten Halt im Gelände und so konnte Santi die Fahrt vollends genießen, denn auch die Bremsen gaben ihm ein sicheres Gefühl. Dadurch, dass diese Fahrt, anders als bei der Rodelbahn, nicht in einer festen Bahn verlief, sondern die Fahrzeuge selbst und frei gelenkt werden mussten, war der Spaß für Santi sogar noch größer. Denn so war er nicht nur passiver Mitfahrer, sondern lenkte aktiv das Dreirad. Er brachte es auch zum Stehen als er wieder bei der Station eintraf. Die Fahrt hatte das Adrenalin durch seinen Körper gepumpt, sodass Santis Beine ein wenig zitterten, was er bemerkte, nachdem er abgestiegen war. Wer hätte gedacht, dass er im Schwarzwald so viel Action erleben könnte? Nun war ihm der Gedanke nicht mehr fremd, aber noch vor einigen Tagen hätte er niemandem, der ihm das gesagt hätte, geglaubt.
Da der Tag schon weit vorangeschritten war, beschloss Santi nicht noch einmal zu fahren, sondern weiterzufliegen. Vorbei an Wasserfällen und Seen ging so Santis Reise weiter. Langsam bemerkte er, wie sich die Landschaft veränderte – die Wälder wurden dünner und die Gipfel niedriger. Schließlich landete Santi auf einem Aussichtsturm auf dem Gipfel eines Bergs. Von hier aus überblickte er nicht nur die umliegende Natur, sondern im Tal vor ihm lag eine große Stadt. Das musste Baden-Baden sein, dachte sich Santi aufgrund der Größe und Lage – er hatte den Rand des Schwarzwaldes erreicht. Vor Santi lag nun noch eine weitere Station, denn die Stadt zu seinen Füßen wollte er sich nicht entgehen lassen, schließlich war Baden-Baden auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt.
Statt jedoch einfach hinabzufliegen, entschied sich Santi dazu die Bergbahn zu nehmen, die vom Gipfel hinunterfuhr. So konnte er in der Abenddämmerung das Panorama der Stadt genießen, ohne sich selbst anstrengen zu müssen. Santi nahm also in einer der Gondeln Platz und wartete darauf, dass die Fahrt losging. Als sich jedoch auch nach ein paar Minuten nichts rührte, wurde er skeptisch. War die Gondel kaputt? Oder war sie nicht in Betrieb? Plötzlich fiel Santis Blick auf einen kleinen Knopf neben der Tür, auf dem dick „Abfahrt“ stand. Verärgert über sich selbst, dass er diesen nicht sofort bemerkt hatte, drückte Santi mit dem Flügel auf den Knopf. Nun endlich setzte sich die Bahn in Bewegung und trat ihre Fahrt ins Tal an. Dabei glitt die Gondel fast lautlos über die Schienen und so genoss Santi den Moment ohne die Lautstärke und Betriebsamkeit der Stadt im Tal. Diese würde er noch früh genug mitbekommen. Bis die Bahn die Talstation erreichte, genoss Santi den Rundblick über Baden-Baden, die hohen Berge des Nordschwarzwalds und den Blick bis hin zu den Vogesen. Nachdem die Gondel zum Stillstand gekommen war und sich die Tür geöffnet hatte, flatterte Santi los, hinein in die Stadt – er war bereit für ihr Leben.
Nach einem schicken Abendessen in einem der unzähligen Restaurants Baden-Badens machte sich Santi bereit, um sich in das Nachtleben zu stürzen. Er hatte bereits seinen Anzug angezogen und band sich nun noch die Fliege um den Hals, denn er hatte sich informiert – elegante Abendgarderobe war im Casino Pflicht. Für Santi kein Problem, denn von Zeit zu Zeit mochte er es ganz gerne, sich in Schale zu werfen. So wurde einem Abend immer das besondere Etwas verliehen. Nachdem er vollständig in sein Abendoutfit gekleidet war, flog er zum Casino. Schon von außen machte dieses einiges her, denn an der weißen Fassade entlang führte ein Säulengang mit hohen weißen Säulen, deren Kapitäle aufwendig verziert waren. Darüber war die Fassade, unterhalb des Dachs, mit aufwändigen Mustern verziert. Santi saß auf dem Rasen vor dem alten Kurhaus und betrachtete dieses. Irgendwie war er ein bisschen aufgeregt, denn er war noch nie in einem Casino gewesen und so richtig wusste er auch nicht, wie die ganzen Spiele gingen. Klar, Roulett kannte er schon, aber schon, wenn da die grüne Null gezogen wurde, hätte Santi keine Ahnung wie es weitergehen würde. Und die anderen Spiele mit Karten, Würfeln und allem waren ihm nicht gänzlich fremd, aber es wäre gelogen zu sagen, dass er sie beherrschte. Santi wusste aber, dass er von diesem Abend keinen Reichtum zu erwarten hatte, schließlich wussten alle, dass am Ende immer das Casino gewann. Aber dennoch würde es Spaß machen.
»Willst du nicht reingehen?«, sprach ihn plötzlich jemand von der Seite an. Als er sich nach der Stimme umblickte, entdeckte er neben sich eine Katze auf der Wiese sitzen. Typisch Katze, dachte er. Sie musste sich auf ihren lautlosen Katzenpfoten an ihn herangeschlichen haben.
»Du siehst zumindest so aus, als würdest du ins Casino wollen«, fügte die Katze hinzu.
Jetzt wo Santi sie genauer betrachtete, bemerkte er, dass auch sie eine kleine Fliege um den Hals gebunden hatte. Sie hatten wohl ein gemeinsames Ziel.
»Ja will ich auch. Und du offensichtlich auch«, antwortete er.
»Wegen der Fliege meinst du?«, fragte die Katze und zupfte die angesprochene Fliege gerade. »Die trage ich immer. Die gehört zu meinem Look. Als Casino-Katze muss man einen gewissen Kleidungsstandard wahren. Anderenfalls würde man zu sehr auffallen zwischen den Frauen in ihren Kleidern und den Herren in ihren Anzügen.«
»Was meinst du mit Casino-Katze?«, musste Santi nachfragen, da er sich darunter nichts vorstellen konnte. »Lebst du hier?«
»So ist es«, antwortete die Katze auf seine Frage. »Mein Name ist Alexandra.«
»Santi«, stellte sich Santi nun ebenfalls vor. »Dann weißt du doch bestimmt alles über das Casino und seine Spiele, oder?«
Santi witterte seine Chance sich alles von jemandem erklären zu lassen, der davon Ahnung hatte. Und Alexandra enttäuschte ihn auch nicht:
»Und wie. Ich kenne das Casino in- und auswendig und beherrsche die Spiele im Schlaf.«
»Kannst du mich dann vielleicht ein bisschen herumführen und mich an deinem Wissen teilhaben lassen?«, bat Santi Alexandra.
Diese schien einen Moment zu zögern, dann jedoch willigte sie ein.
»Na gut, dann komm. Bestimmt herrscht drinnen schon reger Betrieb.«
Das vermutete Santi auch, denn schon vor dem Eingang wimmelte es von gut gekleideten Menschen, die ihr Glück an den Tischen und Automaten des Casinos versuchen wollten. Santi folgte Alexandra, die sie zielsicher zwischen den Menschen hindurchführte, bis sie schließlich im Inneren des Casinos standen.
Hier betrachtete Santi ehrfürchtig den Raum und insbesondere dessen Decke. Denn diese war mit Stuck und Malerei verziert und dadurch in einen Goldton gehüllt worden, der den ganzen Raum zum Glänzen brachte. Von der Decke herab hingen große Kronleuchter, die den Raum beleuchteten und deren Kristalle tanzten und glitzerten. Auch die Wände bestachen durch ihre Gestaltung, denn hier befanden sich Statuen in eigens dafür eingerichteten Nischen in den Ecken des Raums. Dazwischen konnte man, ähnlich wie an der Decke, Wandgemälde bestaunen.
Santi drehte sich einmal um die eigene Achse, um den ganzen Raum bewundern zu können. Alexandra wartete dabei geduldig neben ihm, obwohl es für sie wohl nichts Neues war, so oft wie sie den Raum wohl schon betreten hatte. Das Ambiente, das der Raum bereits von sich aus ausstrahlte, wurde abgerundet durch die elegante Gesellschaft – Santi schloss sich in diese durchaus ein – die den Raum mit Leben füllte. An verschiedenen Tischen saßen und standen die Menschen und spielten.
»Besser hätte ich es mir nicht vorstellen können«, bemerkte Santi an Alexandra gewandt.
»Ja, der Raum hier ist schon besonders schön, es ist vielleicht sogar mein liebster«, stimmte Alexandra Santis Staunen zu.
»Möchtest du mal dein Glück versuchen?«, fragte sie nun und deutete auf einen Tisch, an dem soeben ein Platz freigeworden war.
Aufregung durchlief Santis Körper, denn auch wenn er vernünftig genug war um realistisch zu sein, so konnte er den Gedanken nicht verhindern, der ihn hoffen ließ, dass vielleicht ausgerechnet er heute den großen Gewinn machte. Deshalb klatschte er vergnügt in die Hände.
»Au ja. Ich brauche aber deine Hilfe, ich habe das noch nie gespielt.«
»Kein Problem, ich zeige es dir«, beruhigte Alexandra ihn.
Gemeinsam gingen sie zum Tisch hinüber. Alexandra landete mit einem eleganten Sprung auf der Sitzfläche des Stuhls und Santi flatterte nach oben und setzte sich neben sie. Dann ging das Spiel los. Alexandra stattete Santi zunächst mit ein paar Spielchips aus und erklärte ihm dann das Spiel. Schon nach kurzer Zeit hatte Santi es verstanden, denn das Spiel an sich war nicht schwer. So spielten sie gemeinsam eine Weile. Von Zeit zu Zeit gewannen Santi und Alexandra etwas, jedoch verloren sie mindestens genau so viel – eher jedoch mehr. Trotzdem bereitete es Santi großen Spaß und der potenzielle Höchstgewinn schwebte immer in seinem Hinterkopf. Auch Alexandra schien die Aufregung und das Spiel zu genießen und so bemerkten die beiden gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Über die Zeit hatten die Chips vor ihnen immer weiter abgenommen, bis nun nur noch einer übrig war.
»Ich glaube den behalte ich als Andenken«, beschloss Santi. »Wir werden ja doch nicht mehr gewinnen.«
»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Alexandra zu.
Gemeinsam gingen sie durch die Räume des Casinos. An dessen Tischen herrschte nach wie vor reger Spielbetrieb und Menschen, mal mit mehr und mal mit weniger Spielchips, waren darum verteilt. Durch das Stimmengewirr hindurch konnte Santi auch den Bass von Musik pulsieren hören. Als er Alexandra danach fragte, antwortete diese:
»Das ist der Club hier im Casino. Da kann man den Abend nach erfolgreichem Spiel feiernd zu Ende gehen lassen oder aber den Frust über den Verlust vergessen. Wie auch immer – Spaß hat dort wohl jeder. Willst du dort auch noch hin?«
»Klar«, antwortete Santi überzeugt. »Ich will mich ja nicht umsonst schick gemacht haben.«
Daraufhin besuchten die beiden den Club des Casinos und blieben dort bis tief in die Nacht hinein, denn sie hatten unglaublich viel Spaß. So legte Santi erst Stunden später seinen durchgeschwitzten Anzug ab und legte sich zum Schlafen hin. Baden-Baden hatte ihn nicht enttäuscht.
Am nächsten Tag schlief Santi bis mittags. Ausgeschlafen flog er anschließend durch die Straßen Baden-Badens und nahm in einem Café ein spätes Frühstück zu sich, denn er musste sich stärken. Jetzt wo er am Ende seiner Erkundung des Schwarzwalds angelangt war, lag wieder eine weite Reise vor ihm. Nachdem er zu dieser aufgebrochen war, stieg er noch einmal so hoch er nur konnte über den Schwarzwald. Von hier aus konnte er diesen weit überblicken, er sah seine Wälder, seine Berge und Täler, seine Seen und Städte und Dörfer. Tatsächlich hatte Santi den Schwarzwald und seine Bewohner nicht nur kennen, sondern auch lieben gelernt. Denn anders als erwartet, handelte es sich nicht um eine Region, in der nur Menschen auf ihre Kosten kamen, die Ruhe suchten. Ruhe gab es hier zwar schon, aber eben auch allerhand Action und so hatte auch Santi, der kein Fan vom Wandern war, keine langweilige Minute verbringen müssen. Und dabei war er sich sicher, dass der Schwarzwald sogar noch viel mehr bereithielt als das, was er selbst erlebt hatte.
Während er seine Reise Revue passieren ließ, erinnerte er sich auch an die netten Bekanntschaften, die er geschlossen hatte. Er dachte an Tina und Martin, die ihn in Freiburg überhaupt erst auf die Idee brachten, den Schwarzwald zu bereisen und nicht sofort weiterzufliegen; er erinnerte sich an Simon, der seine Heimat und das Bergwerk so liebte, dass er es nie verlassen würde; er dachte zurück an Sandra, mit der auf seinem Rücken er über den Schluchsee geflogen war und nach der verborgenen Vergangenheit des Schwarzwaldes suchte; er dachte an Michael, der seinen Beitrag leistete; erinnerte sich an Clio und die drei Molche, die ihn in die Sagen und Märchen des Schwarzwaldes einführten und seine Faszination für diese weckten; und schließlich dachte er auch an Alexandra, die er gerade erst kennengelernt hatte, und mit der er die Nacht erlebt hatte. Sie alle liebten den Schwarzwald und Santi war zu dem Schluss gekommen, dass sie Recht hatten. Denn mit ihrer Begeisterung hatten sie Santi angesteckt und er war sich sicher, dass er hierher zurückehren würde. Vielleicht nicht jedes Jahr, denn die Welt hielt noch viele weitere aufregende Ort bereit, aber er würde bestimmt wieder einmal hierher fliegen, denn der Schwarzwald war auf jeden Fall eine Reise wert. Und wenn er auch am gestrigen Abend nicht das Glück hatte, einen großen Gewinn zu machen, so hatte er doch einen Haufen Glück gehabt, als er zufällig hier im Schwarzwald gelandet war, denn so hatte er diesen erst selbst richtig kennengelernt – und zwar so wie er wirklich war und nicht wie er zu sein schien.
Das Kurhaus in Baden-Baden
Blick über Baden-Baden
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